Frieden in Bewegung -
Die Friedenswanderung war im Rhein-Main- Gebiet und in Frankfurt
Nach den ersten Sonnenstrahlen in Hessen nahm die Friedenswanderung Richtung Frankfurt so richtig Fahrt auf.
Schon zur 31. Etappe, von Butzbach zu den Eschbacher Klippen, liefen 23 Wanderer*innen mit. Acht von ihnen übernachteten auf der Brombacher Hütte.
Von den Eschbacher Klippen aus hatten NaturFreunde des Sportvereins sie zur Brombacher Hütte gefahren. Nach Kaffee und Kuchen und einer leckeren Gemüsesuppe am Abend, saßen alle zusammen bei warmen Wetter lange an der Feuerschale und lauschten den Erzählungen über die Geschichte der Brombacher Hütte und den Liedern von Broder Braumüller.
Auch das Frühstück konnten wir bei bestem Sonnenwetter im Freien einnehmen. Versorgt mit Proviant brachen die Wanderer*innen zur 32. Etappe auf. Über den Taunuskamm war Bad Homburg vor der Höhe das nächste Ziel.
Etwa 50 NaturFreund:innen fanden sich morgens für die 33. Etappe nach Frankfurt ein, um den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann, Schirmherr der Frankfurter Etappen und „Mayors of Peace“ zu begrüßen. Weitere 50 Wanderer:innen nahmen wir auf, die von der U-Bahn- Haltestelle gekommen waren. Gemeinsam zogen wir weiter am Eschbach entlang, über die Felder, durch Streuobstwiesen, hoch nach Berkersheim und wieder durch Wiesen bis zum Gravensteiner Platz, wo die Eisdiele den Umsatz des Tages machte. Die Straßenbahn brachte uns in die Innenstadt.
Auf dem Römerberg wurden wir mit einem Lied der Gruppe Politokk, bestehend aus
NaturFreunde-Musiker:innen, begrüßt, die uns zwischen den Reden und am Ende der Kundgebung begeisterten. 330 Menschen nahmen an der anschließenden Kundgebung teil.
Stadtrat Mike Josef und DGB-Geschäfsführer Philipp Jacks sprachen Grußworte und unterstrichen die Bedeutung von Frieden und Abrüstung für die Weiterexistenz der Menschheit. Jenny Stubberud von Fridays for Future stand der Zorn im Gesicht, als sie über die nicht mehr aufzuschiebende Notwendigkeit sprach, die alte, die Erde zerstörenden Wirtschaftsweise und die damit zusammenhängenden Verhaltensweisen aufzugeben. Sie rückte die Klimakrise in Zusammenhang mit der Zerrüttung der Lebensgrundlagen von ganzen Ländern und daraus entstehenden Konflikten und Kriegen. Ihre Rede stellte quasi eine verjüngte Ausgabe dessen vor, was ihr Vorredner, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Michael Müller, vorgetragen hatte. Jenny Stubberud rief auf, die Bundestagswahl zu einer Wende der Vernunft zu machen und bezeichnete die aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils vorgenommenen Änderungen am Klimapaket als lächerlich: eine 180-Grad-Wende sei notwendig.
Die 34. Etappe am 3. Juni war zwei Stadtführungen in Frankfurt vorbehalten.
Zum vormittäglichen Stadtrundgang in der Frankfurter Innenstadt fanden sich 50 Menschen ein, so dass die Gruppe geteilt werden musste. An der Frankfurter Hauptwache erinnert Siggi Heß an den gescheiterten Wachensturm von 1833. Weiter ging es über die Paulskirche mit dem
Holocaust-Mahnmal zum Römerberg, wo am 10. Mai 1933 von Frankfurter Studenten unter dem Gejohle der Menge die Bücher der Crème deutscher Literat:innen verbrannt wurden.
Aber Siggi Heß erzählte auch, dass die NPD dreimal hier demonstrieren wollte, um Frankfurt zu ihrer Hauptstadt zu machen, und dass dies ebenso oft verhindert wurde, z.B. am 17.6.1979 durch eine (nicht genehmigte) Gegendemo auf dem Paulsplatz mit 30.000 Menschen, die dann zum Rebstock liefen und dort "Rock gegen Rechts" erlebten.
Nächste Stationen waren das Denkmal für den Frankfurter Dichter Friedrich Stoltze, der mit seiner "Krebbelzeitung" und später der "Frankfurter Latern" als die Freiheit liebender Vorkämpfer der Demokratie weniger bekannt ist als mit dem Spruch: "Es will merr net in de Kopp enei…" bis zum katholischen(!) Dom, dessen Glocken am Tag der Beisetzung von Rosa Luxemburg läuteten, weil Arbeiter das persönlich beim Glöckner durchsetzten.
Am Museum Judengasse erfahren wir über das jüdische Ghetto, wo vom 15. bis Anfang des 19. Jahrhunderts die Juden wohnen mussten. Seine Ruinen wurden entdeckt, als die Stadtwerke ihre Zentrale bauen wollten. Frankfurter Bürger:innen haben durchgesetzt, dass nicht, wie der damalige OB Brück geschichtsvergessen wollte, alles zugeschüttet und überbaut wurde.
An der Friedhofsmauer zum jüdischen Friedhof finden sich 11.134 kleine Täfelchen mit den Namen der im Holocaust ermordeten Frankfurter Jüdinnen und Juden.
Weiter geht es zum Klapperfeld, wo sich ab 1876 ein finsterer Knast befand, den auch die Nazis weidlich nutzten, der aber auch später noch Abschiebegefängnis war. Heute ist der Bau Sitz der Kulturinitiative "Faîtes votre jeu", die die Erinnerung wachhält und sich, auch mit Plakaten an der Außenmauer, für die heute Verfolgten und Bedrängten einsetzt.
1994 haben Frankfurter Bürger:innen die Erinnerung an die im Holocaust ermordeten Homosexuellen mit der Gestaltung des Klaus-Mann-Platzes durchgesetzt. Und für die an AIDS Gestorbenen gibt es seit 1994 die Gedenkstätte "Verletzte Liebe" am nahe gelegenen Petersfriedhof.
Für die Mittagspause führt Robert Gilcher die Gruppe bei der nachmittäglichen Stadtteilführung zum Niederräder "Licht- und Luftbad" am Main. Hier war in der Nazi-Zeit die letzte öffentliche Badeanstalt für Jüdinnen und Juden.
Stolpersteine erinnern an ermordete Menschen, die hier in Niederrad gewohnt haben.
Weiter geht es zum Ettie-und-Peter-Gingold-Platz. Die Gingolds waren während der Nazi-Diktatur in Frankreich in der Résistance aktiv und kamen nach dem Krieg zurück nach Frankfurt. An dem Plätzchen in Niederrad hat die Gingold-Initiative einfach ein Straßenschild angebracht. Denn der Ortsbeirat, dominiert von CDU, FDP und Grünen, weigert sich bis zum heutigen Tag, diesen mutigen, allen, die guten Willens sind, zugetanen Menschen ein würdiges Andenken zu bewahren.
Am Abend wurde ins NaturFreunde-Haus am Poloplatz geladen. Hier berichtete Lothar Reininger, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender der Adlerwerke, den etwa 40 Anwesenden, von dem Kampf der Belegschaft gegen den Beschäftigungsabbau und die schlussendliche Schließung. In der Initiative "Leben und Arbeiten im Gallus" setzt er sich zusammen mit vielen anderen für die Einrichtung einer Gedenkstätte "KZ Katzbach" ein. Ein KZ, das in den letzten Kriegsmonaten mitten in den Produktionsstätten eingerichtet war und das weniger als 10 % der Insassen überlebten. Lothar berichtete von den Widerständen nicht nur im Vorstand, sondern auch bei den Aktionären (Dresdner Bank als Hauptaktionär) und den Beschäftigten. Doch nach 75 Jahren gibt es jetzt Bewegung auch in der Frankfurter Stadtpolitik.
Die letzte Etappe, die 35., führte am 4.Juni Wanderer:innen und Radfahrer:innen zum NaturFreunde-Haus in Egelsbach. Auch hier wird ERINNERUNG groß geschrieben.
Haltepunkte waren das Luftbrückendenkmal am Frankfurter Flughafen und die Gedenkstätte des KZ-Außenlagers Natzweiler in Walldorf. Hier schufteten von März 1944 an bis zu ihrer weiteren Deportation junge ungarische Jüdinnen für die Firma Züblin und den Flughafen, um für das bessere Funktionieren des Krieges weitere Rollbahnen zu bauen.
Cornelia Ruhlig, die heute für die Margit-Horvath-Stiftung tätig ist, berichtete über ihre umfänglichen Recherchen, um mit den Überlebenden in Kontakt zu kommen. Ihr ist es zu verdanken, dass Jugendliche begannen, sich für das Geschehene zu interessieren, und dass die Reste des am Kriegsende gesprengten Lagers ausgegraben und rekonstruiert wurden und so die Bevölkerung von Walldorf mehr und mehr in die Erinnerungsarbeit einbezogen wurde.
Als beide Gruppen mit ihren insgesamt 70 Teilnehmer:innen am NaturFreunde-Haus ankamen, wurden sie mit Kaffee, Kuchen, Getränken und leckerem Essen empfangen. Motto: Bei den NaturFreunden ist noch niemand verhungert.
Landesvorsitzender Dr. Manfred Wittmeier begrüßte alle herzlich. Die Liedermacherin Anne Duda sang wunderbare eigene Friedenstexte. Brigitte Weller, die Vorsitzende der OG-Egelsbach- Erzhausen, forderte friedliches Zusammenleben der Völker ohne einseitige Ausbeutung, ohne Vorteilsnahme der Reichen gegenüber den Armen.
Dass diese vier Tage ein so großer Erfolg wurden, verdanken wir den unermüdlichen
Organisator:innen und allen eifrigen Helfer:innen. Ihnen an dieser Stelle ein ganz großes DANKESCHÖN!
Aber auch die wunderbare Zusammenarbeit mit den Ortsgruppen Egelsbach-Erzhausen, Wiesbaden, Offenbach und Bad Vilbel hat sich bewährt, sie sollte erhalten bleiben! Und letztendlich war uns auch der Wettergott hold. Vielfach war Regen angesagt, aber dort, wo wir aktiv waren, schien die Sonne, war es warm und begeisternd!
Marianne Friemelt, NaturFreunde Frankfurt am Main