Die Kultura Trails der NaturFreunde Hessen sind Rundwege, die regional begrenzte Natur- und Kulturräume beim Wandern und Radfahren erschließen und erfahrbar machen wollen. Dieser Weg am Rande des Odenwalds führt euch über einen Ausläufer des Binselbergs mit dem Wartturm.
Der Kultura Trail liegt in der Verantwortung der NaturFreunde Schaafheim (https://www.naturfreunde.de/ortsgruppe/ortsgruppe-schaafheim) und wurde gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Kultura Trails der NaturFreunde Hessen konzipiert, Kontakt: www. trails@naturfreunde-hessen.de.
Tourbeschreibung:
Tourlänge: 6 km, Gehzeit ca. 2 Std., Schwierigkeit: einfach, Gesamtaufstieg: 80 m
Wegbeschaffenheit: vorwiegend asphaltierte Acker- und Feldwege und damit weitgehend barrierefrei
Wir haben die Tour mit Komoot aufgezeichnet und alle Highliglights dieser Wanderung mit kurzen Texten beschrieben. Hier geht es zu Komoot.
Der Kultura Trail eignet sich für den Besuch im Frühling, Herbst oder an einem schönen Wintertag. Er führt (ohne Schatten!) über die sanften Hänge, welche die Ausläufer des Odenwaldes bilden. Fruchtbarer, dicker Lößboden hat die Landwirtschaft beflügelt, bis mit dem Industriezeitalter die Karten neu gemischt wurden. Wir genießen Ausblicke zum Odenwald, Spessart, zur Frankfurter Skyline und in die Mainebene.
Der Rundweg ist weitgehend barrierefrei. Da es sich um eine Rundwanderung handelt, besteht die Möglichkeit, an beliebiger Stelle einzusteigen. Es bietet sich an, mit öffentlichen Verkehrsmitteln (BUS BG 3 ab Bahnhof Aschaffenburg oder Bahnhof Babenhausen) zu kommen und an der Bushaltestelle "Wartturm" zu starten.
Bei Anreise mit dem PKW bitte beachten: An einem der möglichen Startpunkte am NaturFreundegelände zwischen Schaafheim und Radheim ist vor der Schranke nur ein kleiner Parkplatz. Bitte die Zufahrten, auch zu den Wiesen, freihalten! Ausreichend Parkplätze sind am Wartturm, am Jubiläumswald und an der Straußenfarm vorhanden.
Rollstuhlfahrer*innen nehmen auf den letzten 400m den asphaltierten Weg bis zur Straße und biegen dort links auf die Kreisstraße, wo es wenig später wieder links zum NaturFreunde-Gelände geht.
Highligts
Hütte der NaturFreunde Schaafheim
Die Wilhelm-Adam-Schutzhütte der NaturFreunde steht auf dem Gelände eines alten Gneis-Steinbruchs. In diesen wurde bis in die 1970er Jahre Müll verfüllt. Hinter der Hütte kann man noch
in einen nicht verfüllten Steinbruch hinunter blicken. Berühmt wurde das Domizil der Schaafheimer NaturFreunde durch die hier im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts abgehaltenen Feste „Rock am Buckel".
Die Hütte ist nach Adam Fäth (Gründungsmitglied) und Wilhelm Hofmann benannt. Adams Beharrlichkeit führte dazu, dass die Behörden das Gelände den NaturFreunden zur Verfügung stellten und Unternehmen schwere Geräte für die Renaturierung kostenlos verliehen. Wilhelm konnte diese Geräte bedienen und verrichtete unter großen Gefahren schwere Schiebearbeiten damit. Erika Fäth machte nicht nur, wie es von den Frauen damals erwartet wurde, das Catering. In Abstimmung mit der Naturschutzbehörde pflanzte sie 500 - 700 Bäume und Sträucher auf dem Gelände eigenhändig ein. Die Fäths stellten ihren Garten für die Vorarbeiten an der Schutzhütte zur Verfügung. Die benachbarte und bestens mit den Schaafheimern befreundete Dieburger NaturFreunde-Ortsgruppe half beim Bau der Hütte mit ihrem vorhandenen Zimmermannswissen tatkräftig mit, ebenso wie die damals noch bestehende Ortsgruppe Eisenbach. Die Hütte wurde 2020 saniert.
Löwenwirtsweiher (mundartlich: Lejwertsweijer)
In einem Gehölz auf der rechten Seite des Weges verbirgt sich das Feuchtgebiet "Löwenwirtsweiher". Dieser Weiher war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts noch nicht von Bäumen umsäumt und wurde im Sommer von der Dorfjugend zum Baden genutzt. Im Winter wurden Eisbarren ausgesägt, die in dem wenige hundert Meter entfernten "Löwenkeller" an der Schaafheimer Straße "Im Kreis" gelagert wurden, um das Bier zu kühlen.
Der "Löwe" lag neben dem Rathaus und hat eine bewegte Geschichte: erbaut vermutlich als Amtshaus, danach Gaststätte mit Brauerei, dann Sonntagsschule. 1935/36 kaufte die Gemeinde das Haus für Veranstaltungen ("Adolf-Hitler-Haus"). Nach dem Krieg kurzfristige Nutzungen z.B. als Unterkunft für ehemalige Kriegsgefangene, Ausgebombte, Geflüchtete, Heimatmuseum, Postamt, Fabrikationsräume und Vereinsräume. Im oberen Stockwerk befand sich einige Zeit ein Jugendzentrum, dem das Haus den Namen "Salvador -Allende-Haus" verdankte. Nach einem Brand sollte es nicht mehr genutzt und für einen neuen Verwaltungsbau abgerissen werden. Doch nach Widerstand aus der Bevölkerung wurde es umgebaut und renoviert und 1983 als Bürgerhaus wiedereröffnet. Heute ist zusätzlich das Bauamt dort untergebracht.
In den letzten Jahren verlandet der Weiher mehr und mehr, der Bach führt kaum mehr Wasser. Grund sind die Klimaveränderung, aber auch die Landwirtschaft, deren Pflanzen durch die Intensivierung mehr Wasser brauchen.
Eichenwaldshohl/ Bobbelhoul
Unterhalb des Hohlwegs, in Schaafheim bekannt als "Bobbelhoul", steht eine Schutzhütte. Hohlwege entstehen, wenn auf Lößboden an Steigungen Wege verlaufen. Die Räder der Karren und Kutschen, die Hufe der Zugtiere scharren auf dem Boden, lockern diesen und der nächste Regen schwemmt das Material weg. Eine Schlucht mit unbewachsenen, steilen Lößwänden entsteht. Hier ist ein idealer Brutplatz für Insekten. Sie graben Gänge in die Wände und bauen kleine, kugelförmige Bruthöhlen, in die sie ihre Eier legen. Die Kügelchen nannte man in Schaafheim "Bobbel", man konnte sie aufsammeln, wenn ein Stückchen Steilwand abbrach.
Heute ist der Hohlweg geteert, die Hänge werden flacher und sind überwachsen. Die Bobbel sind Legende. In Schaafheim gab es viele solche Hohlen, die im Zuge der Flurbereinigung zugeschoben wurden.
Wegekreuz und Brunnen
Das Kreuz (eines von vieren) ist Ergebnis des Projekts "Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK)", gefördert durch Bund und Land Hessen, wodurch während des wirtschaftlichen Einbruchs in Folge von Corona im Jahr 2020 Schaafheimer Handwerksfirmen Aufträge erhielten.
Am Kreuz vorbei auf den Acker schauend, erblickt man zwischen zwei Bäumen einen Brunnen. Die Legende erzählt von einem sehr alten Brunnen. Wahrscheinlicher ist, dass dieser nach dem 2. Weltkrieg gegraben wurde. Damals gab es dort Viehweiden. Der Brunnen lag an einem heute nicht mehr vorhandenen Weg zum Wartturm. Die Äcker hatten noch geringe Ausmaße, erst die Flurbereinigung schuf die heutigen großen Flächen.
Landwehr und Wartturm
Der Erzbischof von Mainz hatte die Landwehr errichtet. Das war eine Geländeformation, bestehend aus drei Wällen und zwei Gräben dazwischen, die mit Gestrüpp überwachsen waren. Wer die Zollstationen umgehen wollte, kam hier nicht weiter und musste die Grenze zu anderen Territorien an den vorgesehenen Punkten überqueren, wie z.B. der Schaafheimer Warte, erbaut 1492.
1936/37 wurde die zerfallende Schaafheimer Warte saniert. Dabei wurden eine Treppe und Zwischenböden eingezogen. Interessanterweise verschwand auch ein großes weißes Hakenkreuz, das seit 1932 an der Turmaußenwand angepinselt war. Der "Balkon" ist der ursprüngliche Eingang, der mit einer Leiter erreichbar war. Die heutige Türfassung stammt vom 500jährigen Turm-Jubiläum 1992. Der Turm ist begehbar und bietet eine schöne Aussicht. Im oberen Stockwerk sind ein Kamin und drei Pechnasen erkennbar.
Blick in die industrialisierte Mainebene
Wir schauen von links nach rechts auf die Gemeinden Schaafheim, Ringheim, Großostheim. Am Horizont erblicken wir die Schornsteine der am Main gelegenen Papierfabrik Stockstadt, rechts davon das Kohlekraftwerk "Bayernwerk" und noch weiter rechts eine weitere Papierfabrik. In der Mitte des Waldes, der vor der Horizontlinie liegt, befindet sich eine große Abfallverwertungsanlage.
So prägte das 20. Jahrhundert eine zuvor bäuerliche Landschaft, die auf Mainsand und Lößboden entstanden war. Denn der Main war ursprünglich nicht in einem engen Bett, sondern beherrschte das gesamte Becken.
Blick zum Ringheimer Wald
Im Ringheimer Wald wurde im Krieg von den Nazis eine große Fläche gerodet, um unter dem Decknamen "Schafweide" einen Flugplatz anzulegen. Im angrenzenden Wald parkten weit verstreut endmontierte Flugzeuge für den Fronteinsatz, die von wenigen Soldaten bewacht wurden.
Der Bunker auf dem Gelände war ab ca. 9/1943 Experimentierwerkstatt des Leipziger Professors Schiebold, der in einem Projekt von höchster Geheimhaltung eine Methode entwickeln wollte, wie man feindliche Flugzeuge mit gebündelten Röntgenstrahlen abschießen könne. Die Vorgänge um diese Forschung lesen sich äußerst mysteriös. Schiebold wie seine Mitarbeiter entgingen so jedenfalls dem Fronteinsatz. Gegner Schiebolds, die dem Projekt keine Erfolgsaussichten beimaßen, sorgten dafür, dass die Naziregierung es im September 1944 beendete.
Der Bunker ist heute Kulturstätte. Zu ausgewählten Terminen und auch als Privatführungen sind Bunkerbesichtigungen möglich: https://www.bunker-ringheim.de/
Heute befindet sich zwischen Schaafheim und Ringheim das große Drehkreuz einer Logistik-Firma. Dahinter befindet sich ein Quarzsand-Abbaubetrieb. Über Jahrzehnte hat er einen Teil des regionalen Sandbedarfs gedeckt und hat sich nur wenig vergrößert. Jetzt ist er Bestandteil eines großen Konzernes geworden. Dieser plant (Stand 2024), den Abbau stark auszuweiten. Es droht der Abbau der gesamten Fläche von der Straße nach Ringheim bis zur Straße nach Babenhausen bis dicht an die Ortsgrenze (5m) und bis zum Wald, und das in Tiefen um ca. 20m. Eine Bürgerinitiative wehrt sich gegen die Abbaupläne.
Quellen: wikipedia.org/wiki/Flugplatz_Aschaffenburg: Eintrag Nr. 6 bei den Einzelnachweisen
Peter Hepp: Akte Einsatzhafen Großostheim und seine Geheimprojekte
Blick vom "Schiffweg" nach Osten
Vor der Erfindung der Dampfmaschine wurden die Schiffe mit "Treidelgespannen" den Main hinaufgezogen. Die Treidelwege längs der Flüsse sind teilweise heute noch erkennbar und z.T. als Radwege benutzbar. Auf dem Rückweg kürzten die Gespanne die Mainschleife ab und kamen über den Schiffweg von Osten nach Westen gezogen.
Schaafheimer Jubiläumswald "Roter Graben"
Der Rote Graben, bestehend aus mehreren steilen Schluchten, ist das Ergebnis der "Magdalenenflut", die 1342 in einem heißen Sommer ganz Deutschland vier Tage lang mit Starkregen überflutete und an vielen Orten das Gelände verwüstete oder auch neu gestaltete. Der nicht barrierefreie Abstecher durch die Schlucht führt nach rechts und an einem Geländer entlang nach links hinab. Man folgt dem verwunschenen Pfad in einer der Natur überlassenen Wildnis zurück zum Ausgangspunkt.
Ein Forstprojekt ist hier vor einiger Zeit gefloppt: man pflanzte Fichten an, um aus den resistenteren Bäumen Samen zu gewinnen. Doch die Fichten vertrockneten und gehören in Zeiten des Klimawandels ohnehin nicht mehr zu den bevorzugten Bäumen für Aufforstungen. Jetzt befindet sich auf der östlichen Seite des Grabens ein "Jubiläumswald", wo anlässlich von Hochzeiten, Geburten usw. Bäume gepflanzt werden, die einen Mischwald bilden sollen.
Vorranggebiet Windenergie
Auf dem Weg erblicken wir links zwei große und zwei kleine Windräder. Ein Teil des Höhenzugs ist zum Vorranggebiet Windenergie erklärt worden, hier wird demnächst noch mehr Strom aus erneuerbarer Energie erzeugt.
Neunter Längengrad
Auf der Stele sind die Orte vermerkt, die der Längengrad im Verlauf von Norden nach Süden durchquert. Er läuft über weite Strecken durch Meere!
Jungsteinzeit und Besiedlungsgeschichte
An der Schautafel schauen wir einmal in die Runde. Das Gebiet auf den fruchtbaren Lößäckern ist schon seit dem Neolithikum besiedelt. Kelten und Römer lebten hier. Während der fränkischen Landnahme entstanden im 5. bis 8. Jahrhundert etliche Weiler, von denen Ortschaften, die auf "-heim", "-hausen" oder "-weiler" enden, heute noch Zeugnis ablegen. Schaafheim (im Volksmund "Schoffem") ist 817 erstmals urkundlich erwähnt und feierte 2017 seine 1200 Jahre.
Straußenfarm Tannenhof
Vor einigen Jahren haben die Betreiber der Farm sich entschieden von Schweinemast auf den Betrieb der artgerechten Haltung von Straußen umzusteigen. Auf 5 Hektar leben hier inzwischen ca. 150 Strauße in mehreren Gruppen. Die Strauße erhalten nur selbst angebautes Futter.
Führungen werden von März bis Oktober angeboten, für Gruppen nach Vereinbarung. Im Hofladen gibt es Kaffee und Kuchen, Getränke, Straußenfleisch, Federn, Produkte aus Straußeneiern und Deko-Artikel aus Straußenei-Schale. www.straussenfarm-tannenhof.de.
Text und Fotos: Jens und Sandra Glenzendorf (NaturFreunde Schaafheim) und AG Kultura Trails der NaturFreunde Hessen