Der Kultura Trail beginnt am Bahnhof Lindheim und führt über Enzheim zum Glauberg. Im Ort Glauberg kann man wieder in den Zug steigen oder durch die Nidderauen zurück zum Bahnhof Lindheim wandern. Der Weg führt uns durch eine schöne Region der Wetterau, bestehend aus kühlem Wald und weiten Blicken, bis hin zum Glauberg, wo wir mit einem Zeitsprung von 2.500 Jahren in die Keltenwelt einsteigen können, bevor wir vom Bahnhof Glauberg aus den Heimweg antreten.
Mehrfach werden wir auf den Wahn derjenigen Menschen hingewiesen, die glauben, sich über die Ausgrenzung und Vernichtung anderer Vorteile verschaffen zu können. Das begann nicht erst mit der Hexenverfolgung und endete nicht mit der Vernichtung der Juden im Nationalsozialismus. Es stößt uns vielmehr immer wieder an, im Hier und Jetzt aufmerksam zu bleiben und zu widerstehen.
Die KulturaTrails der NaturFreunde Hessen sind Rundwege, die regional begrenzte Natur- und Kulturräume beim Wandern erschließen und erfahrbar machen wollen.
Dieser Kultura Trail liegt in der Verantwortung der NaturFreunde Altenstadt (Kontakt: nf.altenstadt@gmail.com) und wurde gemeinsam mit der Arbeitsgruppe „Kultura Trails der NaturFreunde Hessen“ konzipiert.
Tourbeschreibung:
Tourlänge: 12 km
Schwierigkeit: mittelschwer, Anstieg ca. 140 m
Reine Gehzeit je nach Geschwindigkeit: 3-4 Std.
Wir haben die Tour mit Komoot aufgezeichnet und alle Highlights dieser Wanderung mit kurzen Texten beschrieben: www.komoot.com/de-de/tour/2063303989
Highlights:
Bahnhof Lindheim
Der Bahnhof Lindheim liegt entlang der Bahnstrecke „Stockheim-Frankfurt“. Der Abschnitt "Stockheim - Heldenbergen - Windheim", an dem der Bahnhof liegt, wurde am 1. Oktober 1905 eingeweiht. Neben landwirtschaftlichen Produkten transportierte die Niddertalbahn, im Volksmund „Stockheimer Lieschen“, Abbauprodukte der Basaltsteinindustrie im Vogelsberg.
Und was damals die Bahnlinie war, die Anschluss an die Moderne garantierte, ist heute die Glasfaser, die durch eine in Altenstadt ansässige Firma das Internet bis „an jede Milchkanne“ bringt.
Quelle für den Eisenbahnbau: „Anschluss an die weite Welt – Die wechselvolle Entwicklung der Eisenbahn in Oberhessen“.
Hier ein Zitat: Bahnhöfe „repräsentieren nicht nur die Eisenbahn als solche, sondern auch den jeweiligen Ort, was sich (…) auch in baulichen Reminiszenzen an die eigene Dorfgeschichte widerspiegelt, wie in Lindheim, an dessen Bahnhof Figuren zur Erinnerung an die Hexenverfolgung des Ortes angebracht worden waren.
Hexenturm
Im 17. Jahrhundert fanden die "Lindheimer Schreckensjahre" statt, wie der evangelische Pfarrer Otto Glaubrecht (Pseudonym für Rudolf Oeser) in seinem Buch von 1850 diese Zeit des Hexenwahns bezeichnet. In dem Turm, der zur ehemaligen Stadtmauer gehörte, waren Bürgerinnen und Bürger eingekerkert. Innerhalb von 9 Monaten wurden 20 unschuldige Menschen an Ort und Stelle gehenkt oder geköpft und dann verbrannt.
Der örtliche Faschingsverein trägt den Namen "Lindheimer Hexen", was in alle Richtungen interpretierbar ist.
Quelle: https://www.altenstadt.de/kultur-tourismus/ausflugsziele/lindheimer-hexe...
Stolpersteine
Seit dem 14. Jahrhundert wohnten in Lindheim jüdische Familien, seit dem 17. Jahrhundert gab es eine Synagoge mit Rabbiner sowie eine jüdische Schule. Im 19. Jahrhundert lebten hier zwischen 50 und 80 jüdische Menschen. (Quelle: Elisabeth Johann: Unsere jüdischen Nachbarn) Der bereits erwähnte evangelische Pfarrer Glaubrecht heizte den Rassenwahn mit antisemitischen Schriften an. Die Stolpersteine zeigen uns, wohin politischer Antisemitismus führt. Der Einsatz für Menschenrechte ist nach wie vor bitter notwendig, insbesondere in Bezug auf Minderheiten.
Das evangelische Pfarrhaus
An dem Haus befindet sich eine Gedenkplakette für Otto Glaubrecht. Dieser verfasste hier nicht nur das erwähnte Buch über die Hexenverfolgung, sondern auch ein antisemitisches Machwerk namens "Das Volk und seine Treiber", das von dem glühenden Antisemiten Thomas Fritsch später in seinem "Handbuch der Judenfrage" besonders gewürdigt wurde. Glaubrecht stellte die Juden als Wucherer dar, weswegen die Bauern arm geworden seien. Er begründete damit den politischen Antisemitismus, der den Boden für den Mord an Millionen Juden vorbereitete.
Die NaturFreunde setzen sich für die Entfernung der Gedenkplakette für Glaubrecht an dem Pfarrhaus ein. Die Plakette, insbesondere in der Nähe von drei Stolpersteinen, empfinden sie als unerträglich.
Hofgut Westernacher mit Störchen
Auf dem Schornstein des Hofguts Westernacher nisteten lange Zeit die beiden letzten Störche in der Wetterau. Durch den unermüdlichen Einsatz der Natur- und Vogelschutzgruppe Lindheim gelang es, dass dieses Storchenpaar überleben konnte und sich die Population entlang der Nidder erholen konnte. Heute ist die Wetterau eines der storchenreichsten Gebiete in Deutschland.
Das Demandt-Anwesen
Der österreichische Dichter Leopold Ritter von Sacher-Masoch verbrachte Ende des 19. Jahrhunderts seine letzten beiden
Lebensjahre in Lindheim und starb dort. Eine Gedenktafel am Demandt-Anwesen erinnert an ihn. Sacher-Masoch gründete den "oberhessischen Volksbildungsverein", der ein Gegengewicht zu den antisemitischen Hetzschriften Glaubrechts bildete und von den Antisemiten als "Judenschutztruppe" verunglimpft wurde. Seine freie, ungewöhnliche Einstellung zu Sexualität, Erotik und Liebe machte ihn zum Namensgeber des "Masochismus".
Wie verhasst Masoch der Kirche war, erkennt man daran, dass bei seiner Beerdigung der evangelische Pfarrer die Bitte der Witwe verweigerte, die Totenglocke zu läuten, da er kein christliches Begräbnis gewünscht habe und seine Art zu leben ihm zuwider seien. Darüber setzte sich der "rote" Bürgermeister hinweg. Sacher-Masoch war im Dorf und den Nachbargemeinden so beliebt, dass der Trauerzug in Glauberg, Stockheim, Effolderbach und Ranstadt mit Chorgesang, Instrumentalmusik und Ansprachen empfangen wurde. " Kein Fürst, kein Politiker hat jemals soviel Anteilnahme in diesem Raum erfahren wie der landfremde Sacher-Masoch, der dort nur zwei Jahre gewirkt hat.“
Quelle: Schriften der Altenstädter Gesellschaft für Geschichte und Kultur
Das Enzheimer Köpfchen
Warum gehörte der Enzheimer Wald lange Zeit der Stadt Karben? Es gab dort kein Fürstenhaus, das eine Verbindung zu Enzheim gehabt hätte. Noch weniger einen Kapitalanleger, der durch den Verkauf reich geworden wäre.
Die Lösung: Im 19. Jahrhundert verkauften Enzheimer:innen ihren Wald an die Stadt Karben, um jungen Familien die Ausreise in die USA finanzieren zu können. Anfang der 2010er Jahre verkaufte wiederum Karben den Wald, doch die Altenstädter wollten ihn nicht kaufen. So ist er heute in privater Hand.
Im Wald gibt es einen alten Steinbruch, der der ortsansässigen Bevölkerung als Lieferant für den Hausbau diente.
Keltenwelt
Am Glauberg wurden ab Beginn des 21. Jahrhunderts Forschungen zu den Kelten angestellt, die hier im 6. und 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung siedelten. Man entdeckte zwei Grabhügel mit mehreren Bestattungen von Menschen, die - mit Rückschluss auf die Grabbeigaben - bedeutende Vertreter:innen der keltischen Gesellschaft darstellten. Der berühmteste Fund ist der "Keltenfürst vom Glauberg", eine überlebensgroße, komplett erhaltene Statue eines Menschen. Die Exponate können im Museum "Keltenwelt am Glauberg" bewundert werden. Es gibt auch einen Museumsgarten für Familien mit Kindern sowie einen Spazierweg rund um das Museum mit Informationen zu den Kelten.
Im Café hat man einen phänomenalen Ausblick in die Wetterau und kann zu einem Kaffee den berühmten "Schwimmbadkuchen" verspeisen.
NaturFreundehaus Glauberg
Das Haus der NaturFreunde Bad Vilbel bietet Platz für 11 Übernachtungsgäste sowie einen tollen Ausblick über das Niddertal, bis hin nach Frankfurt.
Tipp: Eine Nacht im NaturFreundehaus buchen und den Natura Trail der NaturFreunde Hessen laufen.
https://naturfreunde-bv.de/nfh-glauberg.html
https://www.naturfreunde-hessen.de/natura-trail-rund-um-glauberg-keltens...
Alte Schule Glauberg
In der alten Schule in Glauberg sind das Heimatmuseum des Heimat- und Geschichtsvereins sowie eine Bibliothek untergebracht.
Der Bahnhof Glauberg
kann als Endpunkt des Kultura Trails genutzt werden.
Für weitere Freizeitpläne:
Der Vulkanradweg durch die Nidderauen. Der Vulkanradweg ist Teil des Radwegenetzes. Er beginnt am Bahnhof Altenstadt und führt bis Schlitz. Man fährt auf stillgelegten Bahntrassen durch das Niddertal und hinein in den Vogelsberg. https://www.bahntrassenradwege.de/index.php?page=Vulkanradweg+Teil+I