Die Kultura Trails der NaturFreunde Hessen sind Rundwege, die regional begrenzte Natur- und Kulturräume beim Wandern erschließen und erfahrbar machen wollen. Der Weg führt euch in die Großstadt, d.h. man ist in Teilen auch dem Straßenlärm ausgesetzt. Wer es ruhiger haben möchte, möge den Sonntag auswählen. Einkehrmöglichkeiten gibt es diverse. Für den Weg incl. Schauen und Staunen sollte man 2,5 bis 3 Stunden veranschlagen. Der Weg ist barrierefrei und durchgehend asphaltiert. Hier auf der Website weisen ausführliche Texte auf einige kulturelle Höhepunkte auf der Wegstrecke hin, in Komoot sind diese etwas gekürzt. Der Kultura Trail liegt in der Verantwortung der NaturFreunde Frankfurt www.naturfreunde-ffm.de und wurde gemeinsam mit der Arbeitsgruppe „Kultura Trails der NaturFreunde Hessen“ konzipiert.
Tourbeschreibung
Tourlänge: 6 km Schwierigkeit: leicht, barrierefrei, keine Steigung
Gehzeit incl. Schauen und Staunen: 2,5 – 3 Std.
Wir haben die Tour mit Komoot aufgezeichnet und alle Highliglights dieser Wanderung mit kurzen Texten beschrieben.
Hier findet ihr die Tour in Komoot.
Wegbeschreibung
Der Start ist an der Friedensbrücke auf der Sachsenhäuser Seite STRB-Haltestelle Stresemannallee/Gartenstraße an der Friedensbrücke, Ecke Stresemannallee/Schaumainkai. Straßenbahnhaltestelle Stresemannallee am Hafenarbeiter. Wir gehen die Treppe hinunter zum Mainufer, unter der Brücke durch und wieder hinauf auf die Brücke. (Gehbehinderte können die Straßenübergänge mit Ampel benutzen.) Wir überqueren die Friedensbrücke. Kurz vor der Hälfte der Brücke blicken wir links zum Westhafen, zum Behördenzentrum und den Gewerkschaftshäusern auf der rechten Seite.
Wir gehen weiter geradeaus (Baseler Platz, Stuttgarter Straße) bis zur Gutleutstraße zu Mr. Quick. Weiter geradeaus entlang der Stuttgarter Straße, bis wir links in den Hof des Behördenzentrums Frankfurt Gutleutstraße mit seinen Plastischen Dachaufbauten einbiegen. Wieder aus dem Hof zurück auf die Stuttgarter Straße und nach rechts in die Mannheimer Straße, entlang den Gleisen des Frankfurter Hauptbahnhofs. Wir gehen jetzt immer entlang an der Außenseite des Bahnhofsgebäudes bis zum Bahnhofsvorplatz der Haupthalle des Frankfurter Hauptbahnhofs. Hinein in den Bahnhof bis zum Gleis 24, den Bahnhof durch den Nordausgang verlassen.
Wir wenden uns nach links (Poststraße). Weiter entlang der Gleise durch Straßen, in denen in den 60er/70er Jahren noch Pelzmanufakturen die gehobene Frankfurter Gesellschaft versorgten. Heute stehen hier Hotels. Am Ende der Poststraße biegen wir rechts in die Rudolfstraße und dann links in die Niddastraße. An der Hafenstraße angelangt, wenden wir den Blick nach links, um in der Ferne noch einmal die volle Schönheit des Finanzamts-Gebäudes mit seinen Plastischen Dachaufbauten zu bewundern. Wir queren die Hafenstraße und gehen in der Adam-Riese-Straße auf das Commerzbank-Gebäude zu zur Plastik Die Veränderung.
Die Adam-Riese-Straße zurück, biegen wir links in die Hafenstraße, queren die Mainzer Landstraße, gehen geradeaus am Güterplatz entlang und vor dem Gebäude der Sparda Bank in die Hohenstaufenstraße. In die Friedrich-Ebert-Anlage biegen wir nach links ein und gehen bis zum Platz der Einheit. Kurz vorher ein Blick auf die protzige Macht-Architektur der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers. Wir erreichen die beiden Bürohäuser "Castor und Pollux" mit der Plastik Synergie auf dem von ihnen gebildeten Platz.
Wir nutzen die Ampel, um den Grünstreifen der Friedrich-Ebert-Anlage zu erreichen und folgen diesem bis zur Straßenbahnhaltestelle. Und sehen den Hammering Man. Auf dem Grünstreifen kehren wir jetzt, so weit es geht, entlang der Friedrich-Ebert-Anlage zurück, dann auf dem Trottoir. An der Ecke Mainzer Landstraße können wir durch die kleine Grünanlage am ehemaligen "Selmi-Hochhaus", jetzt DZ-Bank, durch das "Tor" des Kunstwerks "Die Welt" gehen und beim Einbiegen nach links in die Mainzer Landstraße die Wasserpflanzen an dieser Grünanlage bewundern. Wenige Schritte weiter kommen wir zu Inverted Collar and Tie. Weiter geht es auf der Mainzer Landstraße bis kurz vor der Deutschen Bank, wo wir in einer kleinen Grünanlage links auf ein weiteres Kunstwerk treffen: Kontinuität.
An der S-Bahn-Station Taunusanlage überqueren wir diese und erreichen durch die Grünanlage schräg gegenüber den Marshall-Brunnen. Weiter geradeaus bis zum Opernplatz, wo wir uns nach rechts in die Große Bockenheimer Straße, genannt "Fressgass", wenden. Links biegen wir in die Börsenstraße und kurz danach rechts auf den Börsenplatz ein, an dessen Ende uns Bulle und Bär erwarten.
Dort, wo in den Beschreibungen ein * steht, wurden Anregungen zu den Texten dem Buch "Abseits der Museen" von August Heuser, Knecht-Verlag 2003 entnommen.
Der Hafenarbeiter
Standort: Friedensbrücke, Sachsenhäuser Seite
Gemäß der Sage zeigte eine Hirschkuh Kaiser Karl dem Großen auf der Flucht vor den Sachsen den Weg durch eine Furt auf die nördliche Mainseite. Daher der Name der Stadt Frank(en)-furt und des südlichen Stadtteils Sachsen-hausen. Wirtschaftliche Bedeutung erlangte die Stadt durch diese Furt, da sich hier wichtige Handelswege in Nord-Süd-Richtung mit denen in Ost-West-Richtung kreuzten. Kurz nach 1150 wird die Messe erstmals erwähnt. Neben den Straßen über Land verband der Main durch seinen Übergang in den Rhein die großen Wirtschaftsräume Deutschlands mit der norddeutschen Hanse.
Zwischen 1885 und 1999 war der Westhafen Frankfurts in Betrieb, auf den der Hafenarbeiter, 1896 von Constantin Meunier geschaffen, blickt. Er zeigt eine selbstbewusste Haltung und repräsentiert damit das erwachende Bewusstsein der Menschen darüber, dass ohne ihre Arbeit kein Wohlstand entstehen könne. Individualität und der Wunsch, über das eigene Leben selbst bestimmen und die Persönlichkeit entfalten zu können, das sind auch die Ziele und Werte der in 1895 gegründeten NaturFreunde-Bewegung. Der Hafenarbeiter könnte NaturFreund gewesen sein. Kunstwerke desselben Künstlers finden sich im Günthersburgpark (Der Sämann) und in Antwerpen, Stockholm und Kopenhagen.
Ab 1993 wurde der Hafen zu einem Luxuswohn- und Büroquartier umgestaltet. (Der Osthafen, der zwischen 1908 und 1912 gebaut wurde, ist als Hafen und Industriestandort noch in Betrieb.)
Friedensbrücke, Westhafen, Blick zum Behördenzentrum, Gewerkschaftshäuser
Kurz vor der Mitte der Friedensbrücke geht der Blick nach links zum Westhafen. Wo früher die Hafenarbeiter schufteten, befinden sich neben dem "Gerippten", dem dem Apfelweinglas nachempfundenen Hochhaus, Wohnhäuser für die Betuchten. In der Lagune liegen die Yachten direkt vor der Haustür. Hinter diesen Gebäuden die Silhouette des Finanzamts mit den Hütchen - dazu später Näheres. Auf der anderen Seite der Brücke das Hochhaus der IG Metall und das DGB-Haus, die daran erinnern, dass Frankfurt einmal eine Arbeiterstadt war. Wer auf sich hält, legt das Ersparte bei Union Investment an - sofern überhaupt etwas übrig ist.
Mister Quick
Standort: Gutleutstraße 110
Bei der Betrachtung des eilenden Menschen von Ottmar Hörl (1999) stellen sich viele Fragen: Ist hier den unter der Arbeitshetze leidenden Frankfurter:innen oder gar den Tausenden von Menschen ein Denkmal gesetzt, die alltäglich aus dem Umland in die Großstadt pendeln, um dort ihrer Arbeit nachzugehen? Hoffnungsfroh und optimistisch aufgrund der grünen Farbe, auch wenn alltäglicher Stress bevorsteht? Oder läuft er den neuesten Trends hinterher, die die Großstadt so vielfältig bietet? Verdrängt er als rastloser Businessman die Flaneure vom nahegelegenen Mainufer? Erinnert er an das ostdeutsche Ampelmännchen, das zum raschen Überqueren vielbefahrener Straßen animierte? Oder ist es ein Zeitungsjunge, der läuft, um möglichst schnell die aktuellsten Nachrichten zu verbreiten? Entstanden ist die Skulptur 1999 zum 50jährigen Jubiläum der Deutschen Presseagentur DPA, vor deren Niederlassung sie hier steht. Insofern weist sie auch auf die Hektik hin, in der Nachrichten verbreitet werden müssen, um aktuell zu bleiben, auch wenn ihnen manchmal gründlichere Recherche guttun würde. Und verweist damit auf das alte Sprichwort "Eile mit Weile". *
Behördenzentrum Frankfurt Gutleutstraße
Im Zugangsbereich zum Behördenkomplex steht in der Mitte eine Gedenktafel für die Familie des Pfarrer Jürges, der sich für die Menschen im Gutleutviertel eingesetzt und für sozialen Frieden gearbeitet hat. Wir gedenken seiner und seiner Familie, auf deren an einer Militärshow vorbeifahrendes Auto ein brennendes Kampfflugzeug stürzte. Nein, Familie Jürges war nicht zur falschen Zeit am falschen Ort. Falsch ist die Militarisierung unseres Landes! Und dass Shows von Starfightern zu Volksfesten stilisiert werden.
Links können wir eine Tafel studieren, die die Lage der Behörden im Behördenzentrum zeigt. Z.B. können hier Arbeitnehmer:innen ihr Recht beim Arbeitsgericht erstreiten. Man beachte die Farben, die den einzelnen Finanzämtern zugeordnet sind. Auf dem Gelände stand früher eine Kaserne. Wir gehen ein paar Schritte in die Anlage hinein, bis wir links die Belüftungsanlage des Parkhauses (Gitter) erreichen. Auf deren Rand balancierend, können wir auf dem Dach des Finanzamts zwei der "Hütchen" entdecken. Das Behördenzentrum, das dem Land Hessen gehörte, wurde zwischen 2004 und 2006 an einen privaten Investor verkauft und sogleich zurückgemietet. Dieser "Deal" unter der damaligen Regierung von Roland Koch sollte dem Land 800.000 Euro Gewinn bringen. Die Immobilie stieg jedoch im Wert. Der Verlust wird heute, bei einem Schätzwert des Gebäudes von 110 Millionen Euro, mit 74 Millionen Euro angegeben.
Plastische Dachaufbauten
Standort: Gutleutstraße 114, Behördenzentrum
Die fünf verschiedenen Farben der Hütchen, ebenfalls von Ottmar Hörl (1992), die den Finanzamtskomplex bekrönen, wurden von den fünf hier ansässigen Finanzämtern übernommen (siehe z.B. die Farbe der Briefkästen).
Wer denkt hier nicht an "Fang den Hut"? Die Hütchen in Grün, Rot, Gelb, Weiß und Blau bilden einen Kontrast zum grauen Behördenalltag, den sie bekrönen. Schief und spielerisch. Erinnern sie an die Hütchenspieler jenseits des Bahnhofs, die den Finanzbeamt:innen eine lange Nase zeigen? Oder machen sie sich über die grauen Bürotürme und Glasfassaden lustig, die ansonsten das Bild der Arbeitswelt in Frankfurt prägen? Zeigen sie gar, dass es im Leben auch mal schiefe Türmchen geben darf? Zeigen sie damit Selbstbewusstsein gegenüber den seriösen, aber langweiligen Bauten der Banken und Versicherungen, die darum buhlen, wer den höchsten hat? Sind sie ein Gegengewicht zu eben diesen, weil sie gerade die Dächer des Finanzamts verschönern, das sozusagen als Gegenpart derjenigen gelten kann, die eifrig darum bemüht sind, Gewinne zu verschieben und Steuern zu vermeiden? *
Frankfurter Hauptbahnhof
Das Jugendstilgebäude war nach nur 5 Jahren 1888 fertiggestellt. Der neue Bahnhof ersetzte die drei Westbahnhöfe, die als Endpunkte der Taunusbahn, der Main-Weser-Bahn und der Main-Neckar-Bahn im heutigen "Bahnhofsviertel" mit seiner Hauptachse "Kaiserstraße" lagen. Auf der Dachmitte steht eine 6,3 Meter hohe Bronzegruppe des Bildhauers Gustav Herold: Atlas, der die Weltkugel hält, unterstützt von den Symbolfiguren für Dampf und Elektrizität. Auf dem Gürtel, der die Weltkugel umschlingt, befindet sich eine Darstellung der Sternkreiszeichen. Die ganze Darstellung zeigt, dass man auch damals schon eine globalisierte Welt im Blick hatte. Damit ist die Bedeutung dieses Gebäudes, durch das täglich 500 000 Menschen strömen, umrissen. Welcher Mut gehörte im 19. Jahrhundert dazu, das Unternehmen Eisenbahn flächendeckend zu verwirklichen!
Die Erschließung des Landes durch die Verlegung von Schienen diente vom 19. Jahrhundert bis heute dem Transport von Rohstoffen zu den Zentren der Industrialisierung, der Verteilung der Güter im Land, der Beförderung der benötigten Arbeitskräfte sowie der Entwicklung des Tourismus. Letzten Endes erleichterte sie auch das Führen von Kriegen. Material- und Truppentransporte wie auch die Menschentransporte zu den Vernichtungslagern gehören zu den noch immer ungenügend aufgearbeiteten, der damaligen Reichsbahn Gewinn bringenden Geschäften. Innen möge die geniale Dachkonstruktion, bestehend aus fünf Rippengewölben aus Stahl, die verglast sind, bewundert werden. Die Glasfenster konnten wegen des Rauch-Ausstoßes der Dampflokomotiven geöffnet werden.
Die Veränderung
Standort: Mainzer Landstraße 153, etwas zurückgesetzt vor der Commerzbank
Lassen wir die Künstlerin Jackie Bouw sprechen, die sich in den 90er Jahren mit Frankfurt und dem Arbeitsplatz der Menschen an diesem Ort auseinandergesetzt hat. Sie hat die Büros besichtigt und die technische Monotonie der Arbeit wahrgenommen. Sie sagt (keine wörtlichen Zitate): Der Platz ist geprägt von Geld, Geschwindigkeit, Konkurrenzkampf und Brainworkern. Man spürt hier die Energie. Aber auch Kühe sind ein Quell der Vitalität. Mit der Milch schenken sie dem Menschen einen wesentlichen Beitrag zu seiner Ernährung. Sie stehen für die agrarische Gesellschaft, die sich verändert hat hin zu einer Arbeitswelt mit entfremdeten Tätigkeiten. "Kamen wir nicht von den Jägern über die Landwirtschaft in die Computerwelt? Ist dieser Weg eine Verfremdung des Seins oder ist es das Wachsen in eine neue Welt?"
Fest steht: Geld kann man nicht essen. Das, was uns die Kuh gibt, ernährt uns. Die kleine Aue mit 30 Bäumen und den ruhenden Kühen dient den gestressten Bankmenschen als kleine Flucht von den Höhenflügen der Börsenkurse in eine Welt, in der eine feste Verbindung zum Boden besteht. * Von den Ruhebänken aus hat man noch einmal einen Gesamtblick auf das Finanzamt mit seinen Hütchen und dazwischen das Äppelwoi-Hochhaus am Westhafen.
Synergie
Standort: Platz der Einheit, Friedrich-Ebert-Anlage
Zwischen den beiden Hochhäusern "Castor und Pollux" steht seit 1997 diese nachts in Rot und Blau erstrahlende Lichtskulptur von Christian Herdeg. Synergie bedeutet das Zusammenwirken von Menschen, Stoffen oder Kräften zum gemeinsamen Nutzen. Ob mit diesem "gemeinsamen Nutzen" die Gemeinschaft der Aktionäre gemeint ist, für die hier in den Hochhäusern tagtäglich die Rendite gemehrt wird? Oder stützen sich die beiden Kreise gegenseitig, um zu versinnbildlichen, dass eine Gesellschaft ohne gegenseitiges Mit- und Füreinander nicht funktioniert?
Abhängig Beschäftigte wissen: wenn im Unternehmen von Synergie die Rede ist, droht Gefahr. Unternehmensberatungen entdecken gern, an welchen Stellen Arbeit zusammengelegt und damit verdichtet werden kann und wie dadurch Arbeitsplätze eingespart werden können.
Hammering Man
Standort: Messeturm, Friedrich-Ebert-Anlage
21 Meter hoch ist diese Skulptur von Jonathan Borofsky, die motorgetrieben einen Hammer unablässig gegen ein Werkstück bewegt. Seit 1991 steht der Hammering Man am Messeturm und begrüßt allmorgendlich die in Auto oder Straßenbahn ins Stadtinnere strömende arbeitende Bevölkerung. Wenn der Motor einmal aussetzt, bekommt die Stadt häufig Anrufe von beunruhigten Menschen, die das morgendliche Hämmern vermissen. Der Mann steht für die Industrie, die über Jahrhunderte das Arbeitsleben in Frankfurt geprägt hat, wenn sie auch inzwischen lange vom Dienstleistungsbereich abgelöst worden ist. Laut dem Künstler soll sie auch ein Symbol dafür sein, dass der Mensch zum Erschaffen von Werten Kopf und Hand benötigt. Und sie verbindet arbeitende Menschen auf der ganzen Welt, denn ähnliche Skulpturen stehen beispielsweise auch in Basel, Seoul, Los Angeles und Seattle.
Eine dem Hammering Man nachgebildete Figur steht auf dem Hülya-Platz in Frankfurt-Bockenheim. Sie erinnert an die 9jährige Hülya Genc, die 1993 bei einem rechts-terroristischen Brandanschlag in Solingen getötet wurde. Die Figur zertrümmert ein Hakenkreuz. Sie war mehrfach Zerstörungen ausgesetzt und wird von Bockenheimer Bürger*innen immer wieder repariert. Vom Ende der Straßenbahnhaltestelle aus, in der Grünanlage stehend, richte man auch den Blick nach links auf das hochmoderne Frankfurter Messegebäude. Rechts der 257 Meter hohe Messeturm, geplant vom Architekten Helmut Jahn (Chicago), der eine eigene Führung wert wäre. Dazwischen lugt klein ein Türmchen des alten Messegebäudes in den Himmel. Wie hat sich der Handelsplatz Frankfurt seit Mitte des 12. Jahrhunderts, da die ersten Messen aufgrund kaiserlicher Verfügung abgehalten werden durften, verändert!
Die Welt
Standort: Platz der Republik
Polierte Edelstahlstäbe bilden eine Art Tor, unter dem man auf einer kleinen Brücke eine Wasserfläche überqueren kann. Das Kunstwerk "Die Welt" des Künstlers Andreu Alfaro glitzert in der Sonne und bietet je nach Standort immer wieder wechselnde Perspektiven.
Es steht zu Füßen des "Selmi-Hochhauses", welches Anfang der 70er Jahre in die Höhe wuchs, als der Bau von Wolkenkratzern in Frankfurt höchst umstritten war. Selmi war ein Bankier und Teppichhändler aus Persien, der als Häuserspekulant berüchtigt war. Im Rohbau brach 1973 Feuer aus, das erst nach 8 Stunden gelöscht werden konnte, weil man im Feuerlöschen in Hochhäusern noch keine Erfahrung hatte. Der Frankfurter Brandbekämpfer Ernst Achilles absolvierte hier eine wichtige "Weiterbildung", die seinen späteren internationalen Ruhm begründete.
Die DZ Bank erwarb das Gebäude 1976, benannte es in "City-Haus" um, stellte ein zweites daneben und ließ es 2007-8 aufwendig, u.a. auch energetisch sanieren.
Der Edelstahl des Kunstwerks und die Glasfassaden der Banken-Hochhäuser bilden in Frankfurt die Symbole des Reichtums einer dünnen gesellschaftlichen Oberschicht. "Die Welt" glänzt, während die Globalisierung und der Druck, immer billigere Arbeit bereitzustellen, eine breite Schicht von prekär Beschäftigten hervorgebracht hat und auch andernorts in der Welt menschenunwürdige Arbeitsbedingungen schafft.
Inverted Collar and Tie oder auch: Die Krawatte
Standort: Mainzer Landstraße, DZ-Bank
Welche Ironie hier im Viertel des geheiligten Mammons! Claes Odenburg sorgte 1994 dafür, dass ein Windstoß die Krawatte eines durch das Bankenviertel eilenden Investment-Bankers zum Fliegen bringt. Im Aufwind zeigt sich die Dynamik der Bankgeschäfte, oder etwa nicht? Die Krawattenträger stehen für Seriosität und Erfolg - und natürlich auch Männlichkeit (wer denkt da nicht an die immer etwas zu lang geratene rote Krawatte Donald Trumps, die er oft liebevoll streichelte?) Was aber bedeutet eine vom Wind zerzauste Krawatte, mit Hemdkragen, aber ohne Kopf? Der Künstler selbst, dessen New York Atelier in der Nähe der Wall Street ist, hatte wohl eine Vorahnung über künftige Börsencrashs und sah schon etliche Banker kopfüber aus den glitzernden Hochhäusern runterspringen.
Kontinuität
Standort: Taunusanlage, Deutsche Bank
In Form eines Möbiusbandes wurde diese 80 Tonnen schwere Granitskulptur in den 80er Jahren im Auftrag der Deutschen Bank vom Künstler Max Bill gestaltet. Der Granit wurde in Sardinien gewonnen und über eine eigens angelegte Straße durch sumpfiges Gelände zur Verschiffung aufs italienische Festland nach Carrara gebracht, wo er innerhalb von 3 Jahren geschliffen wurde. Danach wurde er nach Rotterdam verschifft und über den Rhein und den Main nach Frankfurt gebracht. Zunächst stand er direkt vor den beiden Zwillingstürmen der Deutschen Bank.
Nach der Sanierung der Türme fristet er sein Dasein jetzt in einer kleinen Grünanlage westlich der Bank, während es der Bank geraten erschien, sich am ursprünglichen Standort in einer großen Steinplatte, über die Wasser fließt, selbst zu bespiegeln. Es lohnt sich, das Kunstwerk einmal zu umrunden, um die verschiedenen Formen, das Sich-Öffnen und wieder Schließen von Räumen zu bewundern.
Der Künstler: "Die Kontinuität führt doch eben vor, wie der Betrachter von dieser Form ständig herausgefordert und verunsichert wird. Er steht keinem in sich ruhenden, abgeschlossenen Gegenstand gegenüber, sondern eben einem 'Nukleus', um den sich unaufhörlich neue Seherlebnisse und Fragen entwickeln."
Hier lohnt es sich nun, diese Fragen im Geiste an die Deutsche Bank zu stellen. Angesichts ihrer Vergangenheit in der NS-Zeit, der Verstrickung in die Bankenkrise 2008 und den Skandalen und Verwicklungen in Verbrechen und Finanzskandale in der Neuzeit kann durchaus von Kontinuität gesprochen werden...
Marshall-Brunnen
Standort: Taunusanlage
Toni Stadler errichtete den Brunnen 1963 zum Gedenken an George C. Marshall, der für den "Marshall-Plan" zum Wiederaufbau Westeuropas bekannt wurde. Die drei Bronzefiguren sollen Geben, Empfangen und Danken symbolisieren. Angesichts der Doppelmoral der bundesrepublikanischen Gesellschaft der 60er Jahre wurde die Darstellung der liegenden Frauen seinerzeit in bestimmten Kreisen skandalisiert.
Heute ist der Blick wiederum ein anderer: Aus feministischer Sicht erscheint es durchaus zweifelhaft, die Frauen, die zunächst die Jungen gebaren und sie sodann in den "Heldentod" schickten/schicken mussten, die im Krieg die Arbeit der Männer mit verrichteten, nach dem Krieg die Trümmer zusammentrugen, nun wieder als "Empfangende" zur Schau zu stellen.
Bulle und Bär
Standort: Börsenplatz
Zum 400jährigen Bestehen der Frankfurter Börse 1985 wurden diese Skulpturen, die das Auf (Bulle) und Ab (Bär) der Börsenkurse symbolisieren sollen, von Reinhard Dachlauer hier aufgestellt. Während die Deutsche Börse AG im Jahre 2010 ins gewerbesteuer-sparende Eschborn abgewandert ist, wird am Börsenplatz vor dem imposanten historischen Gebäude nach wie vor der kraftstrotzenden täglichen Geldvermehrung durch Spekulation gehuldigt. Was wären die Minuten vor acht oder die Nachrichtensendungen ohne die Börsenberichte, die übrigens in dem nur noch als Kulisse dienenden ehemaligen Börsensaal gefilmt werden? The show must go on! Man stelle sich vor, diese wertvolle Lebenszeit würde durch andere Nachrichten "besetzt". Es ist der Fantasie der Betrachter:innen vorbehalten, zu überlegen, worüber sie in diesen Minuten lieber informiert werden würden.
Das Börsengebäude selbst ist einen letzten Blick wert. In der Säulen-Eingangshalle steinerne Frauengestalten, die die fünf Kontinente darstellen sollen. Globalisierung in Zeiten des Kolonialismus.